Dienstag, 31. März 2015

Kreativitätstechniken Teil 3 - Fragetechniken



In diesem letzten Teil der Reihe über Kreativitätstechniken stelle ich heute Techniken vor, die mit einer oder mehreren Fragen arbeiten. Diese Fragen können von Einzelpersonen und auch von Gruppen bearbeitet werden.

Viele dieser Techniken, besonders SCAMPER und die Osborn-Methode, werden in der Regel für Firmenprojekte benutzt und weniger für die Arbeit an einer Geschichte, also habe ich mir darüber den Kopf zerbrochen, wie ich die Fragen der Techniken so auslegen und formulieren kann, dass sie Ihnen bei Ihrem Buchprojekt helfen können.



Gegenteilmethode


Egal wie Sie diese Methode nun nennen - ob Gegenteilmethode oder Kopfstandtechnik, Worst-Case-Methode oder Umkehrtechnik - es geht darum, die Probleme auf den Kopf zu stellen und aus dem üblichen Blickwinkel heraus zu neuen Perspektiven zu kommen.
Dafür formuliert man das genaue Gegenteil seines Ziels (oder seiner Frage) und sammelt dann Ideen, um dieses neue Ziel zu erfüllen.
Wenn Sie als Autor z.B. Ihren Umsatz steigern wollen, dann überlegen Sie bei dieser Methode, was alles zu einer Reduzierung des Umsatzes führen könnte. Oder wenn Sie mehr Leser gewinnen möchten, überlegen Sie hier stattdessen, wie Sie Leser vergraulen könnten. Hinterher drehen Sie Ihre Ideen und Ansätze um, um aus ihnen die Ideen für Ihr eigentliches Ziel zu formulieren.

Sie überlegen sich also ganz klar Ihr Ziel oder Ihre Fragestellung und dann drehen Sie diese um.
Dabei können folgende Fragen helfen:
  • Was ist das Gegenteil Ihrer Idee/Frage? Wie können Sie dieses herbeiführen?
  • Wie soll das Ergebnis auf keinen Fall aussehen? Was könnte dazu führen?
  • Was wäre, wenn Sie mit dem Ende anfangen?
  • Können gegenteilige Eigenschaften weiterhelfen?
  • Lassen sich Ursache und Wirkung umkehren?

Ich finde diese Methode sehr interessant, weil sie einen so anderen Weg beschreitet, als die üblichen Kreativitätstechniken. Sie ist quasi eine Ideensuche durch die Hintertür. Sie nimmt den Druck, eine perfekte Idee produzieren zu müssen und befreit während des Prozesses vom Perfektionismus (dem inneren Kritiker), den viele Autoren mit sich rumtragen.

Als Beispiel: 
Sie möchten eine eigene Fantasywelt erschaffen. Doch nach ein paar Minuten Brainstorming sind nur die typischen Klischee-Elemente auf Ihrer Liste gelandet. Sie wollen es aber origineller, Ihnen fällt nur nichts ein.
Anstatt sich zu fragen "Wie sieht eine originelle Fantasywelt aus?" Fragen Sie sich einfach "Wie sich die schlimmste Klischeewelt aus?" Das ist leicht: Schöne, weise Elfen; dumme, aggressive Orks, versoffene, geldgeile Zwerge; große, alte Drachen; magische Sprüche...u.s.w.
Nun drehen wir die Antworten doch mal etwas um. Wie wäre es mit Steinzeitmensch-Elfen oder hochintelligenten Orkwesen, die Bücher in riesigen Bibliotheken horten. Zwerge, die penibel auf ihr Äußeres achten und ganze Kulte um Haar-Kunstwerke betreiben. Kleine Drachen, die so häufig vorkommen wie Ratten und eine verhasste Plage sind oder Magie, die nur durch Spielkarten gewirkt werden kann... oder durch Murmeln.


Progressive Abstaktion


Bei der progressiven Abstaktion wird nach Lösungen gesucht, indem man sich ein paar Ebenen vom Problem entfernt und so die Perspektive auf das Problem ändert. Das Abstaktionsniveau wird dabei schrittweise erhöht:
  • Das Problem wird auf die nächsthöhere Abstaktionsebene gehoben durch die Fragen: "Worauf kommt es eigentlich an? Wofür ist das eigentlich gut?"
  • Nun wird nach Lösungen gesucht mit den Fragen: "Wie könnte das noch gehen? Wodurch lässt sich Ähnliches erreichen?"
  • Lassen sich keine Lösungen finden, wird das Problem auf eine höhere Ebene gehoben und erneut gesucht.
Wie Sie das bei Ihrem Roman nutzen können? Ein Beispiel:
Sagen wir, sie haben zu viele Charaktere und wollen welche streichen. Sie schauen sich also Ihre Nebencharaktere einzeln an und fragen sich "Wofür ist diese Person eigentlich gut?"
Sagen wir nun, sie finden einen Nebencharakter, der dafür da ist, der Hauptfigur durch ihr Verhalten erheblichen emotionalen Schaden zuzufügen, sie emotional vielleicht sogar zu verkrüppeln. Sonst hat sie aber keinen Nutzen. Also fragen Sie nun "Wie könnte ich das anders erreichen?"
Möglichkeiten finden sich viele. Sie könnten den vorhandenen Lebensgefährten oder ein Familienmitglied, das eh vorkommt, in den Armen Ihrer Hauptfigur sterben lassen. Sie könnten die beste Freundin, die vielleicht nur zu Beginn auftaucht eine Intrigantin werden lassen, die auf der Seite des Bösewichts steht. Sie können also die ursprüngliche Nebenfigur streichen, und eine sowieso vorkommende Figur die Aufgabe übernehmen lassen.
Sie können sich aber noch eine Ebene höher bewegen.
Sie fragen also "Wofür ist der emotionale Schaden eigentlich wichtig?" Sicherlich für die Entwicklung Ihrer Hauptfigur, oder damit die Hauptfigur gegen Ende des Buchs eine glaubwürdige Entscheidung trifft und glaubwürdig handelt.
"Wie könnten Sie das anders erreichen?" Vielleicht gibt es in Ihrer Geschichte noch eine Möglichkeit, um Ihre Figur glaubwürdig handeln zu lassen, ohne sie emotional zu verwunden. Vielleicht durch körperlichen Schaden oder besondere Informationen, die alles ändern und in Frage stellen.



SCAMPER und Osborn-Methode


Diese beiden Methoden arbeiten mit einem ganzen Fragenkatalog. Die Fragen überschneiden sich inhaltlich, deshalb führe ich sie unter einem Punkt auf. Ich habe die Fragen versucht so zu formulieren, dass sie auch für die Arbeit an einer Geschichte genutzt werden können.

Bevor ich die eigentliche Fragenliste aufführe möchte ich noch kurz erwähnen:
SCAMPER ist ein Akronym und steht für
  • Substitute - Was lässt sich ersetzen?
  • Combine - Was überschneidet sich oder lässt sich kombinieren?
  • Adapt - Was kann ergänzt werden?
  • Modify - Lässt sich etwas modifizieren?
  • Put to other purposes - Wie kann man Vorhandenes noch nutzen?
  • Eliminate - Was lässt sich entfernen, vereinfachen, reduzieren?
  • Reverse - Lassen sich Elemente auch entgegengesetzt nutzen oder kann die Reihenfolge geändert werden?
Diese Fragen tauchen im Grunde auch in der Osborn-Methode, oder in der längeren Version, der Osborn-Checkliste, auf. Hier sind nun die Fragen, die Sie auf viele Bereiche anwenden können - sei es Ihre Homepage oder Ihre neue Roman-Rohfassung.

  • Andere Verwendung? Wofür können Sie Vorhandenes noch verwenden? Können Sie es anders einsetzen, oder an einem anderen Ort? Beispiele: Können Sie Objekte oder Texte Ihrer Homepage noch an anderer Stelle nutzen im Social Media? Können Sie daraus ein eBook erstellen? Können Sie Orte/Personen/Gegenstände Ihrer Geschichte noch an anderer Stelle in der Geschichte nutzen?
  • Anpassen? Ist ein Objekt etwas anderem ähnlich? Können Sie etwas von diesem anderen Objekt übernehmen oder nachahmen? Welche Parallelen können Sie ziehen? Gibt es Parallelen in der Vergangenheit? Beispiele: Gibt es auf Ihrer Homepage oder in den Texten Ähnlichkeiten zu anderen Internetseiten? Was können Sie sich abgucken? Hat Ihr Roman Gemeinsamkeiten mit alten Klassikern? Was können sie von denen für Ihre Geschichte lernen?
  • Verändern? Was können Sie ändern und umgestalten? Können Sie Form/Farbe/Richtung/Zweck ändern? Beispiele: Welche Farben und Formen auf Ihrer Homepage können Sie verändern? Welche Elemente und Anordnungen umgestalten? Welchen Erzählsträngen im Roman können sie eine andere Richtung oder Wendung geben? Welche Orte/Personen können Sie verändern?
  • Vergrößern? Können Sie etwas hinzufügen? Lässt sich etwas verstärken? Kann zusätzlicher Nutzen rausgeholt werden? Beispiele: Was können Sie auf Ihrer Homepage noch anbieten oder einfügen? Können Sie mehr und häufiger Texte online stellen? Können Sie die Zahl der Gegner im Roman erhöhen? Können Sie einer Person oder einem Gegenstand einen weiteren Nutzen oder eine zusätzliche Bedeutung geben?
  • Verkleinern? Können Sie etwas wegnehmen oder abschwächen? Was ist entbehrlich? Kann etwas in kleine Einheiten zerteilt werden? Beispiele: Brauchen Sie wirklich alle Menüpunkte auf Ihrer Homepage? Gibt es zu viele Farben oder Schriftarten? Könnten Sie zu lange Texte in kleinere Einheiten zerlegen? Können Sie Nebencharaktere im Roman oder unbedeutende Szenen streichen?
  • Ersetzen? Was können Sie ersetzen? Können Sie etwas austauschen? Welche anderen Lösungsmöglichkeiten gibt es? Welche anderen Bestandteile wären möglich? Beispiele: Können Sie Ihren langweiligen Lebenslauf aus Stichpunkten mit einem spannenden/humorvollen Fließtext ersetzen? Können Personen/Orte/Gegenstände im Roman die Funktionen eines Anderen übernehmen?
  • Umordnen? Können Sie die Reihenfolge ändern? Kann an der Struktur etwas verändert werden? Beispiele: Können Sie Ihrer Homepage ein anderes Layout geben? Können Sie die Menüpunkte umordnen? Können Sie die Reihenfolge der Szenen im Roman ändern, um mehr Spannung zu erzeugen?
  • Umkehren? Können sie etwas umdrehen? Wie sieht das Gegenteil aus? Was passiert, wenn Sie Rollen vertauschen? Beispiele: Können Sie im Roman mit dem Ende beginnen? Können Sie die Aufgaben von Personen tauschen? Können Sie Ursache und Wirkung austauschen?
  • Kombinieren? Können Sie Ideen miteinander verbinden? Lassen sich Teile kombinieren? Beispiele: Können Sie Menüpunkte oder Texte Ihrer Homepage zusammenfügen? Können Sie die neuesten Tweets oder Instagrambilder auf Ihrer Homepage mit einem Widget integrieren? Können Sie im Roman Handlungsstränge zusammenfügen? Können Sie Personen interagieren lassen oder Verbindungen bauen, wo bisher keine waren? Können verschiedene Probleme einen gemeinsamen Ursprung haben?

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit diesen Techniken.
Haben Sie eine ausprobiert? Erzählen Sie mir doch davon!

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Hier geht es zu Teil 1: Kreativitätstechniken für Einzelkämpfer

Hier geht es zu Teil 2: Kreativitätstechniken für Gruppen
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