Sonntag, 6. April 2014

Rezension: "Schreibcamp" von Stephan Waldscheidt

Das "Schreibcamp" von Stephan Waldscheidt hat mir sehr gut gefallen und ist, meiner Meinung nach, sein Geld wirklich wert.

Nicht nur, dass mein Roman durch die vielen Vorschläge an Qualität gewonnen hat, das "Schreibcamp" hat mir auch Mut gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich durchaus einiges intuitiv richtig mache. Solche Schulterklopfer brauche ich von Zeit zu Zeit. Auch dafür: Danke.

Der Aufbau ist gelungen und auch ich empfehle, die Reihenfolge so einzuhalten, wie sie vom Autor vorgesehen ist. Der Ratgeber ist eingeteilt in "28 Tage", wobei sich der Leser an jedem Tag eines speziellen Themas annehmen soll.


Ein paar Eindrücke von meiner Erfahrung mit dem Ratgeber:

Gleich an Tag 1 hatte er mich am Haken.
Natürlich weiß ich, dass der erste Satz wichtig ist, doch es im Detail schwarz auf weiß zu lesen ist noch einmal etwas anderes. Der umwerfende erste Satz, den ich mir überlegen sollte, ist übrigens der Anfang einer Kurzgeschichte geworden. An Tag 2 hat mich der letzte Absatz dazu gebracht, mir ein interessantes Detail zu einer Charakter-Ort-Beziehung auszudenken. Ein emotionaler Moment.

Tag 3 war besonders amüsant. Ich saß im Wohnzimmer meiner Eltern, das mein Sohn zuvor in ein kleines Chaos verwandelt hatte, und suchte nach den "unpassenden Gegenständen". Beim ersten Überfliegen fiel mir nichts auf, alles war passend im Zimmer, wie immer. Doch dann blieb mein Blick am Kinderreisebett hängen, das zum spielen mitten im Raum stand. Plötzlich fiel mir auch die kleine Pfanne auf dem Boden auf, die mein Sohn aus der Küche entführt hatte. Hinten in der Zimmerecke lag außerdem noch ein Deoroller, scheinbar ein weiteres Entführungsopfer. Ja, diese Dinge passten nun wirklich nicht in ein Wohnzimmer.
Mit einem Lächeln las ich weiter.

An Tag 5 sprach mir der Autor aus der Seele. Ich habe besonders in den letzten Wochen viele Texte und Bücher von Selfpublishern vor die Nase bekommen, deren erste Kapitel aus ewig langen, langweiligen, wenig sagenden Beschreibungen bestehen, die jeder Lektor nur zu gern gestrichen hätte. Dieser Tag 5 war mein "Schulterklopfer".

An Tag 7 habe ich einen Charakter getötet.
Und an Tag 9 wurde ein Klischee weit ausgebreitet um es dann komplett umzukrempeln. Ein wunderbares neues Detail meines Helden kam zum Vorschein. Tag 10 hat die missliche Lage meiner Helden verschlimmert, was für sie zwar ärgerlich, für die Leser aber umso besser ist.

An Tag 13 und 14 gab es dann von allem mehr. Mehr Drama, mehr Einsatz, mehr Konflikt, mehr Risiko, mehr zu verlieren. Meine armen Helden. Doch sie werden das schon verkraften.
Tag 15 brachte interessante Ziele mit sich, denn mich beschäftigte die Frage: "Was will Ihr Protagonist in der aktuellen Szene erreichen?" Außerdem warf ich massig Hindernisse hinterher.

Tag 19 ergab neue Gefühle für meine Helden und damit auch neue Ideen für den Ablauf der Geschichte und für die Hintergründe. An Tag 20 waren meine Helden bei Ikea und diverse Schauplätze wurden mit dem seltsamsten Zeug bestückt.

Tag 25 hat für mich eine sehr wichtige Aussage. Es geht halt doch immer um Beziehungen. Wenn diese fehlen, besteht ein Buch oder Film einfach aus langweiligen, aneinandergereihten Szenen einzelner Figuren. Und so habe ich noch mehr Beziehungen geflochten und Nebenfiguren miteinander bekannt gemacht. Tag 26 hat mich zwei Szenenanfänge komplett umbauen lassen. Ich habe einen Haken reingeknotet.

Tja, und an den Tagen 27 und 28 habe ich über viele Enden nachgedacht. Die Enden von Szenen, von diversen Büchern und unreifen Ideen.

Fazit:
Das "Schreibcamp" ist ein Ratgeber, den ich sicherlich im Entstehungsprozess eines jeden Romans einmal zu Rate ziehen werde. Ich kann ihn jedem empfehlen, der eine Rohfassung seines Werkes und etwas Zeit mitbringen kann.
Stephan Waldscheidt beginnt mit dem Versprechen: "Dieses Buch wird Ihren Roman besser machen. Vom ersten Tag an." Und dieses Versprechen hält er auch.

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